Wo die Bärenwege führen

Die systematischen Forschung des Braunbären, die auf der Nutzung von telemetrischen Überwachungsverfahren beruhte, stellt den Nationalparks in der polnischen und slowakischen Tatra zahlreiche Informationen über das Leben von siebzehn Einzeltieren (11 Männchen und 6 Weibchen) zur Verfügung.

 Braunbär (Ursus arctos)

Die durch die Forschung gewonnenen Kenntnisse über den Bären erhöhen das Verständnis und die Wissenslage in diesem Themenbereich. Besser gesagt, die Kenntnisse sollten erhöht werden… Aus diesem Grund ist es erstaunlich, dass ein bestimmter Teil der slowakischen Fachöffentlichkeit der Meinung sei, dass Bären auf einem begrenzten Gebiet leben, dass unsere Natur ihnen nicht genügend Nahrung bieten kann, dass die territorial dominanten Männchen ihr Revier verteidigen und die jüngeren Bären verscheuchen, oder das in der Slowakei keine seriöse Forschung, die das Gegenteil belegen könnte, ausgeführt wurde.

Braunbär (Ursus arctos)

Bär IWO (Karte Nr. 1)

Der junge Bär IWO hat sein Halsband in der polnischen Tatra bekommen. Sein Alter zum Zeitpunkt seines Einfangens wurde anhand des anschließenden Schliffbildes des ersten oberen Prämolars (UPM1) auf 4,5 Jahre geschätzt. Er wog 80 kg. Er steht seit Mai 2014 unter telemetrischer Überwachung. Das Halsband ist bis dato (November 2015) aktiv. In den zwei Kalenderjahren hat er ein so großes Aufenthaltsgebiet offenbart, dass die Werte über seine hinterlegten Wanderwege einen Eintrag ins Buch der Rekorde verdienen würden. Er hat sich auf einem Gebiet aufgehalten, das der Hälfte der Fläche der Slowakei entspricht (26 600 km2). In dem festgehaltenen Beobachtungszeitraum hat er sich auf dem Gebiet von 4 Staaten aufgehalten – in der Slowakei, in Polen, Ungarn und in der Ukraine. Dabei hat er auf dem slowakischen Boden mehr als 100 Jagdreviere durchstreift. Gleich nach dem Anlegen des Halsbandes im Jahr 2014 hatte IWO folgende Aktivität aufgewiesen (Auf der Karte mit blau markiert). Aus der polnischen Tatra hat er den Hauptkamm überquert und sich in Richtung der Gemeinden Smokovce begeben. Dort hat er sich eine Woche lang von Restmüll ernährt. Danach ist er durch den südlichen Gebirgsfuß der Westtatra und des Gebirges Chočské vrchy gewandert. Er hat den Fluss Waag überquert und das Tal Ľubochnianska dolina in der Großen Fatra betreten. Von dort aus migrierte er in die Niedere Tatra, wo er dann nach Osten gezogen ist und schließlich in die Gegend der beiden Gemeinden zurückkehrte. Den Rest des Sommers verbrachte her mit der Suche nach Nahrung. Dabei hat er mehrmals die Acker mit angebauten Feldfrüchten in den Vorbergen besucht. Außerdem hat er wiederholt die altbekannten „Leckerbissen“ in den ungesicherten Restmülltonnen in den Gemeinden geplündert und sogar die für das Schalenwild ausgelegten örtlichen Futterplätze kontrolliert. Den Winter 2014/2015 hat er in einem Winterlager auf der slowakischen Seite der Tatra in den Tal Studenovodská dolina verbracht. Im Jahr 2015 (auf der Karte mit gelb markiert) hat er sich nach dem Winterschlaf bis Ende April auf der slowakischen Seite der Tatra aufgehalten. Ab Ende April bis Ende September hat man bei diesem Einzeltier eine außergewöhnliche Raum-Zeit-Aktivität verzeichnet. Die einzelnen Positionsangaben haben neue, erstaunliche Informationen über den Aufenthalt und die Entfernungen, die IWO zurückgelegt hat, ans Tageslicht gebracht. Dank diesem Bären mussten mehrere Kollegen aus unserem Team ihre alten Geographiekenntnisse auffrischen. In nur fast einer Woche hat er eine Strecke zwischen dem Tatra-Gebiet (Karte Nr.1) und der slowakisch-ungarischen Grenze überwunden. Nachdem er die slowakische Staatsgrenze überquert hatte, hielt er sich eine Woche lang in der ungarischen Stadt Aggtelek, die etwa 30 km nördlich von der Stadt Miskolc liegt, auf. Nach weiteren 8 Tagen hat er den südöstlichen Teil der Slowakei durchquert und bis in das im Nordosten des Landes liegende Gebirge Bieščady vorgedrungen (auf der Karte Nr. 2). Das Gebirge erstreckt sich auf dem Gebiet dieser drei Länder – der Slowakei, Polen und der Ukraine. Hier hielt er sich mehr als zwei Wochen auf. Nach einer weiteren Woche, wo seine Wege durch die Ukraine führten, drang er in die Gegend des Nationalparks Synewyr (auf der Karte Nr. 3) ein, der nur einige Kilometer weit von der ukrainisch-rumänischen entfernt ist. In diesem Augenblick hat man sich gedacht, dass Iwo nach Rumänien ziehen will; Doch das Gegenteil war der Fall – er ist über den ganzen Sommer in dem Nationalpark Synewyr verblieben. Anfang Herbst (im September) ist er über die fast identische Route wieder in das drei-Land-Gebirge Bieščady zurückgekehrt. Die Tatsache, dass Iwo im Jahr 2015 innerhalb des Karpaten-Bogens von den Westkarpaten in die Ostkarpaten und dann wieder zurück gewandert ist, widerlegt die von europäischen (und auch slowakischen) Sachverständigen hartnäckig eingehaltenen Auffassungen über die großen Raubtiere. Zu dieser Tatsache gehört auch z. B. die „Kommunikation“ zwischen den Bären aus dem Nordosten der Slowakei und den Bären aus dem Norden Rumäniens.

Karte Nr. 1

Bär FILIP (Karte Nr. 2)

(Karte Nr. 2 mit den grün markierten Linien) Ein Bär mittleren Alters mit einem Gewicht von 210 kg, der im Frühling 2014 in der polnischen Tatra gefangen wurde In den 8 Monaten (April – November), wo er telemetrisch überwacht wurde, hat sich der Bär in Polen und in der Slowakei auf einem Gebiet von 780 km2 (78 000 Hektar) bewegt. In der Slowakei hielt er sich in den Landesbezirken Žilina und Prešov auf. Konkret handelt es sich um folgende Landeskreise: Tvrdošín, Námestovo, Dolný Kubín, Liptovský Mikuláš und Poprad. Weiter hat er sich im Rahmen der nachstehenden orthographischen Einheiten aufgehalten: Oravská Magura, Oravská vrchovina, Skorušinské vrchy, Chočské vrchy, Westtatra, Osttatra und der Untertatragraben. Innerhalb dieser Zeitspanne wurde er in der Slowakei in 16 Jagdrevieren verzeichnet. Von April bis zum Ende des Sommers 2014 lebte er in der polnischen und slowakischen Tatra auf einem Raum, der sich vom Tal Bielovodská dolina bis hin zu der Ortschaft Oravice erstreckt. Dabei suchte der Bär eher abgelegene und ruhige Gegenden auf. In der zweiten Maihälfte hat er sich länger im Tal Juráňová dolina aufgehalten. Hier haben ihn die Mitarbeiter der TANAP- und TPN-Verwaltung in Begleitung einer brünstigen Bärin beobachtet. Ende des Sommers hat er sich binnen eines Tages über die Bergkette Skorušinské vrchy in die Nähe der Gemeinden Krivá und Dlhá nad Oravou begeben. Er hat eine verkehrsreiche Straße, eine Eisenbahnstrecke, und den Fluss Orava überquert, bis er schließlich auf den Äckern mit reifenden Feldfrüchten Halt gemacht hat. Dieser Antrieb war auch das Ziel seiner nächsten Reise, wo er Anfang Oktober die Landschaft Orava in Richtung Liptau verließ und sich in den Ackerkulturen bei der Gemeinde Liptovské Matiašovce niederließ. Bei der Verzehrung von Mais und Weizen hielt er sich auf den Feldern überwiegend nachts auf. Am Tag ruhte er in den umliegenden Wäldern. Dass der reifende Mais und Getreide eine äußerst verlockende Nahrungsquelle für Bären in den Bergregionen sind, bewiesen auch weitere telemetrisch beobachtete Bären. Im November Kehrte Filip zurück in die polnische Tatra, wo er den Winter in der Gegend der Bergkette Kominarskie Wierchy verbrachte. Im Frühling 2015 fing sein Halsband das Funksignal zu verlieren, bis der Kontakt schließlich auf Dauer unterbrochen wurde. Mittlerweile ist Filip noch am Leben und in guter Verfassung. Die letzte Aufzeichnung kommt vom 10. Oktober 2015, wo er von einer Fotofalle in der Nähe von Oravice fotografiert wurde.

Karte Nr. 2
Braunbär (Ursus arctos)

Bär ERYK (Karte Nr. 2)

(Karte Nr. 2 mit den grün markierten Linien) Ein alter Bär, der im polnischen Teil des Kompetenzgebiets des TPN (Tatra-Nationalpark) gefangen wurde. Er wog 147 kg und sein Alter wurde auf 24 bis 27 Jahre geschätzt (nach der Analyse des ersten oberen Prämolars). In den zwei Kalenderjahren (April 2014 – April 2015), in denen er beobachtet wurde, wurde er ausführlich in Polen und der Slowakei dokumentiert. Sein Aufenthaltsgebiet erstreckte sich auf 460 km2 (46 000 Hektar). In der Slowakei hielt er sich im Rahmen des Landesbezirks Prešov in den Landeskreisen Poprad, Kežmarok und Stará Ľubovňa auf. Bei den orthographischen Einheiten waren es wiederum der Untertatragraben, die Westtatra (Ortschaft Podbanské), die Osttatra und das Gebirge Zipser Magura. Während dieser Zeit hat man seine Anwesenheit in 10 Jagdrevieren wahrgenommen. Nach seinem Einfangen im Jahr 2014, verstehe am Ende der Paarungszeit, hielt er sich noch im polnischen Teil der Tatra (auf der Karte als „A“ markierte Gegend) auf. Anfang des Sommers zog er auf die slowakische Seite um – zu seinem neuen Zuhause hat er die Täler Bielovodská und Javorová dolina und die Belaer Tatra gekürt. Im Herbst hat Eryk den tatranischen Gebirgszug in Richtung Zipser Magura verlassen. Grund dafür war das Nahrungsangebot – hier konnte er sich außer den natürlichen Nahrungsquellen auch an den Futterplätzen von Jagdwild bedienen. In dieser Zeit wurde er sogar bei der Gemeinde Vyšné Ružbachy im Landeskreis Stará Ľubovňa erfasst. Den ganzen Herbst über hat er bis zu seiner Abwanderung auf seinen Winterplatz in der polnischen Tatra mehrere dutzend Futterplätze für Schalenwild besucht. Üblich waren Besuche von mehreren Futterstellen binnen einer Nacht – und das sogar in zwei Jagdrevieren (das mit „C“ und „D“ markierte Gebiet). Im Jahr 2015, nach dem Winterschlaf, hat er aktiv an der Brunft in der polnischen Tatra und dem Tal Bielovodská dolina teilgenommen. In der zweiten Aprilhälfte hat er den tatranischen Hauptkamm überquert in einen neuen Brunftplatz in der Ortschaft Podbanské die sich in der Mündung des Tals Käprová dolina befindet. Außer Eryk wurde das Vorkommen von weiteren 2 männlichen Tieren und einer brünstigen Bärin erfasst. Dazu kam noch ein nicht näher identifiziertes Einzeltier (wahrscheinlich ein weiteres brünstiges Weibchen) und 2 Bärinnen in Begleitung ihres Nachwuchses aus dem Vorjahr. Auf diesem Brunftplatz wurde das telemetrische Monitoring schließlich abgebrochen – wahrscheinlich aufgrund eines Kampfes zwischen Eryk und einem anderen Männchen, dass ihm das Halsband abgerissen hat. Das Halsband hat man später noch voll funktionstüchtig auffinden können. Am 3. Juni 2015 kam in den Morgenstunden ein Anruf von einem polnischen Bergführer, der bei Nationalparkverwaltung einen Bären gemeldet hat, der im Tal Jaworzynka regungslos etwa 15 Meter weit von einem Wanderweg liegt.

Das Halsband von Eryk, das eine Woche nach seinem Tod gefunden wurde

Aus Sicherheitsgründen wurde der Wanderweg für die Touristen umgehend geschlossen. Nach Ankunft des Tierarztes wurde beschlossen, den Bären einzuschläfern. Nach seiner Obduktion in Wroclaw wurde ein schockierender Fund gemacht: Er hatte im Bereich der Halswirbelsäule ein Teilmantelgeschoss, das aus einer Langbüchse abgeschossen wurde. Paradoxerweise war diese Verletzung älteren Datums. Den Fall wurde an die polnischen Rechtsbehörden weitergeleitet, die wahrscheinlich dann die slowakische Strafjustiz eingeschaltet hat. Als Weiteres wurde anhand der DNA-Analyse festgestellt, dass es sich um den Bären Eryk handelt. Dank der genauen Altersschätzung konnte bestätigt werden, dass Eryk der älteste freilebende Bär auf dem Gebiet zwischen Polen und der Slowakei war. Er war zwischen den Jahren 1987-1990 geboren, doch leider musste wegen den von Menschenhand verursachten Umständen im Jahr 2015 eingeschläfert werden. Nichtsdestotrotz konnte man dank der Telemetrie kurze Einblicke von seinen Lebenswegen gewinnen, auch wenn seine täglichen Erlebnisse bei dieser Lebensreise weiter für uns ein Geheimnis geblieben sind.

Bärin INGA mit ihrem Halsband, kurze Tage bevor sie in Liptovská Kokava abgeschossen wurde
Braunbär (Ursus arctos)
Braunbär (Ursus arctos)

PAVOL LENKO, Správa Tatranského národného parku
TOMASZ ZWIJACZ-KOZICA, Tatrzański Park Narodowy


Übersetzung : Mgr. Lukáš Chlebina https://pretlm.webnode.sk/

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